Donnerstag, 9. November 2017

Hysterische Grundstimmung und Spannungen

Vielleicht bin ich einfach zu langsam. Gestern hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass für Personen mit nicht eindeutigen Geschlechtsmerkmalen zukünftig eine Möglichkeit geschaffen muss, in den Personendaten diese biologische Nichteindeutigkeit auch auszudrücken. Und irgendwie habe ich das Gefühl, als wäre es jetzt ganz wichtig, dazu sofort eine fundierte Meinung zu haben. Habe ich die? Nein. Irgendwie klingt's für mich ganz vernünftig. Und irgendwie weiß ich nicht. Was wird das jetzt mitsich bringen? Ein bisschen Angst macht`s mir auch. Und irgendein Teil von mir sagt, dass es eigentlich ganz vernünftig, und für mich auch eigentlich relativ egal ist. Und vielleicht liegt darin der Schlüssel zu einem guten Umgang mit manchen (bei weitem nicht allen!) Phänomenen der Zeit. "Ist's vernünftig? Macht`s was? Kann`s mir a bisserl wurscht sein?" Auch Bedenken mal näher untersuchen. So eine Art Liberalitas Bavariae 2.1.

Mich stört ein bisschen diese von mir so wahrgenommene Debattenwut der letzten Jahre. Irgendwer haut da immer ein besonders zähes Kalbsschnitzel (bildlich gesprochen) auf den Tisch, und dann sollen und müssen alle aufschreien, und schauen, dass das Schnitzel vom Tisch kommt, auf Biegen und Brechen. Ein bisschen verkrampft!


Ein weiteres Thema für mich ist der in meiner Konfession anhaltende Streit um den richtigen und biblischen Umgang mit der menschlichen Sexualität. Trauung für homosexuelle Paare? Homosexuelle Geistliche? Ehe für alle? Und irgendwie sind weltweit dann immer alle ganz schnell bei den Waffen. Ja... ehrlich gesagt habe ich selber in der Hinsicht auch überhaupt keine feste Meinung, über die ich jetzt seitenlang referieren könnte. Lebe da in einem Spannungsfeld. Einerseits denke ich nicht, dass man sich die eigene sexuelle Orientierung aussucht wie ein paar Socken. Andererseits der tatsächliche oder vermeintliche biblische Befund. Habe auch, das muss ich einfach ehrlich mal so feststellen, noch keine stichhaltige Argumentation gefunden, warum die sogenannte "konservative Schule" in der Sache einen falschen Blick bei der Auslegung hätte. Andererseits meine eingangs erwähnte persönliche Meinung, dass so eine sexuelle Orientierung keine Ala-Carte-Bestellung ist. Tja... manche würde an meiner Stelle folgern: "Also stimmt die Bibel nicht!" und sich gänzlich in ein liberales Sammelsurium stürzen. Aber aus Motiven, die ich hier aus Zeit- und Platzgründen nicht näher erklären kann, ist diese Schlußfolgerung nicht die meine. Was tue ich also? Ich lebe in einem theologischen Spannungsfeld aus eigener persönlicher Meinung, aus vielen (mangels Fachwissen und vielleicht mangelndem Interesse jede naturwissenschaftliche Frage bis ins tausendste Teil und darüber hinaus hinein zu erforschen) unbeantworteten Fragen, die wieder mit diesem Wust zusammenhängen, und eben einem persönlichen Bibelverständnis, das weder liberal noch wortwörtlich ist, und einem Glaubensansatz, bei dem ich von mir selber einfach fordere, das Wort Gottes (das für mich in der Bibel offenbart ist) ernst zu nehmen, um eine kolossale Gegen-den-Baum-Fahrt in Zeit und Ewigkeit zu vermeiden...
Leben im Spannungsfeld ... Ja, ganz spannend. Der ein oder andere Bündnisgrüne fände sowas sicher toll. Mich nervt es mehr.

Das beste, was mir zumindest heute an Reaktion auf dieses alles einfällt, ist, eine ökumenische Bibelabendreihe zu besuchen, die heute ihren Beginn hat. Schönen Donnerstag!


Nachtrag: Der Verfasser hat weder zu den Grünen noch zu Kalbsschnitzel eine engere Verbindung!