Freitag, 17. Februar 2017

Und wieder: Das Manottidil!

Nachdem wir jetzt schon Teil 1, Teil 2 und Teil 3 hinter uns gebracht haben, folgt nun allfreitäglich der nächste Teil, nämlich der

 vierte Abschnitt 

der Geschichte vom Manottidil und seiner Ehefrau:


Der Kaufmann verließ im Hafen einer kleinen Insel, wo er Geschäfte zu tätigen hatte, das Schiff. Alsdann setzte er sich in eine Hafenwirtschaft und schrieb den folgenden Brief:

An den gnädigen Herrn Alessandro de' Medici, Herzog und Regent zu Firenze.

Allergnädigster Herr!

Ich erlaube mir, ein unbedeutender Kaufmann, diese Zeilen an euch zu richten in der Hoffnung und dem festen Vertrauen, in euch einen Freund und Förderer der ehrlichen Wissenschaften zu finden.

Auf meinen Reisen zwischen dem Land am Nile und den griechischen Inseln konnte ich die Entdeckung einer wunderseltsamen Creatur machen, solche nicht ich noch irgendjemand sonst auf dieser Welt gesehen. Es handelt sich um eine Art Crocodil, nur hiervon unterschieden darin, dass es wie ein Mensch auf zwei Beinen gehet, Kleidung trägt, in gottgefälligem Ehstande zu leben scheinet (sein Ehweib trägt den Namen Julisanda, so ich im Gespräche erfuhr, es selbst hingegen scheint ohne Namen zu sein), ein großer Kenner aller Künste, Materialen und Wissenschaften (sofern ich dies tauglich beurtheilen kann) und ausgezeichneter Freund guten Weines zu sein, von welchem ich mit besagtem Wesen zwei volle Krüge an Bord des Schiffes getrunken.
Die Creatur redet, sie sei auf der Reise nach Italien befindlich und ich möchte in aller Bescheidenheit und Demuth die Ehre nicht missen, euch, Herr, diese Entdeckung anzeigen zu dürfen, aufdass man vorbereitet ist auf die Erscheinung des Wesens in den Feldern unseres Mutterlandes.
(Wenn ich um eine große Gnadenhuld bitten dürfte, so wäre es diese, das Tier, so jenes Wesen ein Tier zu nennen ist, nach seinem treuen und allerdemüthigsten Entdecker, meiner Person zu benennen. Ich schlage somit vor, dies Wesen das „Manottidil“ zu nennen. Weiter schlage ich voller Treue vor, das Wesen zu inhaftieren, sobald es italienischen Boden betritt, um es weiter befragen und von Gelehrten untersuchen lassen zu können.

Mit Unterthänigkeit

Manotti

Den 22. Juli 2037

Man muss nicht erwähnen, dass das auf den Brief folgende Gelächter im Fürstenhaus nicht klein war. Der angeschriebene Alessandro soll, munkelt man, angeordnet haben, statt des Manottidils seinen frechen und offenkundig gemütskranken Entdecker zu inhaftieren, sobald er Florenz erreiche und bis hinunter zum letzten Küchenjungen schüttelte man energisch die Köpfe über den Brief, dessen Inhalt sich aufgrund seiner Exzentrizität sehr schnell herumgesprochen hatte.

Trotz allem hatte die Sache natürlich eine Wirkung: Vor den Sternen und der Erde, vor allen Bäumen, Geiern, Fischen in den Flüssen und vor den traurigen Gespenstern in den Klosterruinen dieser Welt hatte das Geschöpf, von dem diese Geschichte erzählt nun und für alle Zeit einen Namen: Das Manottidil.

3. Kapitel

Man schrieb den 4. Juli 1974 als das Dampfschiff im Hafen der Stadt San Giacomo anlegte. Die Sonne schien übertrieben auf die Szenerie hinunter und 70% der Mannschaft waren schwer betrunken.
Als das Manottidil mit seiner lieben Ehefrau den Landungssteg betrat, schrie ein minderjähriger Knabe namens Casimiro, seines Zeichens Lakai und vorzüglicher Kartoffelschäler des Schiffskoches mit weinschwangerem Knabensopran: „Seht das Tier an! Ist das nicht ein Zeichen vor aller Welt? Wann hat Gott der Herr das letzte Mal ein solches Wesen vor einem Schiffsjungen aufmarschieren lassen! Lasst uns dieses Phänomen ehren! Wir benötigen einen neuen Titul für unsere schwimmende Insel!“
Der Rest der nur in Teilen zurechnungsfähigen Besatzung war sofort entflammt angesichts der Idee des Buben. So kam es, dass besagtes Schiff eine weitere Namensänderung durchmachte und von diesem Tag an auf den Namen „Der Drache des Sankt Georg in den Lustgärten von Aleppo“ getauft war.

San Giacomo war in diesen Tagen eine Stadt ganz der Mode der Zeit entsprechend in weihrauchschwangerem Cäsarenwahn versunken. Die Stadtplätze waren voll von wohlgeformten Jünglingen, meist Studenten an der örtlichen „Universität der großen Künste, Weltwissenschaften und andererley nutzhafter akademischer Disciplinae“. Diese verbrachten ihre Tage damit, selig auf die mythologischen Figuren der Renaissancebrunnen zu starren und sich wechselseitig für ihre neuesten Poeme mit Lorbeer zu krönen. Die Vorlesungen an besagter Universität fielen ohnehin größtenteils aus, da die Professores diese nicht selten einfach vergaßen, so verstrickt waren sie in allerlei intellektuelle und philosophische Kaffeehausgespräche, in das Schreiben ihrer Memoiren oder mindestens 200-seitiger Aufsätze für Zeitschriften, die direkt und ohne Umwege über unwissende Leser für die Archive der großen Bibliotheken gedruckt wurden.

Frau Julisanda und ihr Mann staunten nicht schlecht, als sie in der Nähe des Hafens einen Imbiss nahmen, welch eine beeindruckende Metropole des Geistes dort vor ihnen lag. Es öffneten sich zur Mittagszeit die Fenster kluger und elfenbeinbleicher Mädchen um ein Meer von Gesängen auf die Straßen zu spülen. Geschliffene Mezzosopranistinnen sangen da im Duett mit abgründigen Altstimmen, dann und wann tönte von irgendwoher ein Fortepiano, meist gespielt von einem der Welt abhanden gekommenen Professor, in virtuoser Güte. Wenn die Musik am schönsten war, kam nicht selten vom Meer hergezogen ein roter, mediterraner Wind, in dem sich hundertduzendweise Grashüpfer, Zitronenfalter, Seesterne und Blütenblätter verheddert hatten, und die nun mit dem Wind sich auf die Stadt legten. Ein Kellner stand da auf und sang folgendes Arioso in scheußlich tiefem Bass:

O Wind O Wind!
Du bringst uns Sand und Mythen
und Geschichten
Du trägst uns uns're Tage vor die Götter
welche richten
Die Welt, o Wind, ist flüchtig so wie du
Das Leben ist ein kurzer Blitz inmitten ew'ger Ruh!
O Wind O Wind! O Ew'ge Ruh!

So ein Unsinn! Nie so dummes Zeug gehört. Der Kerl verdirbt ja die ganze Größe der Stunde!“ murrte das Manottidil, knallte mürrisch eine Münze auf den Tisch, um die Rechnung zu begleichen und zog seine Frau in eine der verwinkelten Gässchen San Giacomos, von wo aus beide eine Stadtbesichtigung zu beginnen trachteten.


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