Sonntag, 3. Juli 2016

Gespenster



Derzeit lese ich gerne mal wieder klassische Gespenstergeschichten von J. S. Le Fanu, M. R. James, etc..

Verstorbene kehren als Gespenst zurück, um ihre vormaligen Häuser ungeliebten Erben zu verwehren, eine ruhelose Seele versucht, ein Unrecht dem erstgeborenen Sohn gegenüber ungeschehen zu machen (und tut dabei neues Unrecht), während der zweite Sohn dadurch auch in Gewissensnot gerät und schlussendlich darin umkommt. Die tote Tante, die ihren Neffen über das Grab hinaus zur Geltendmachung von vermeintlichen Ansprüchen heranziehen will, und die rätselhafte Schattengestalt, die mit dem Vormund eines wunderschönen Mädchens einen folgenschweren Vertrag schließt und so quasi die Ehe mit der jungen Frau "einkauft"...

Alles in allem sehr unschöne Gestalten, diese Gespenster. Angetrieben von (durchaus menschlichen?) Wünschen finden sie keine Ruhe. Man möchte ihnen fast zurufen: "Bleibt, wo ihr seid! Kommt nicht hierher! Die Toten haben in der Welt der Lebenden nichts zu suchen."

Aber vielleicht erkennen wir uns manchmal auch selbst in den Rastlosen, in ihrer, ja, Sturheit, ihren Verblendungen, in ihrer Unfähigkeit, ein klares Wort zu finden (stattdessen Träume, Gesichte, Schatten, Wind)?


Die typische Gespenstergeschichte muss für mich auch immer eine Moral haben. Das unterscheidet sie von blutrünstigen Ängstigungsorgien in Kino und Fernsehen, und wahrscheinlich auch in Buchform. Und natürlich einen gewissen Stil!




Bild: Félix Vallotton, "Bretonische Heidelandschaft"